Von zwei Leben

Endlich komme ich dazu, die Geschichte unserer Windhunde zu erzählen, die schon einige Male in diesem Blog eine Rolle gespielt haben, ich erinnere an Von Hypochondern… , Von Hundemänteln oder Windhundwinter .

Ein Artikel in unserer Tageszeitung über das zweite Leben von Greyhounds, die in Irland als nicht mehr gut genug für die Hunderennbahn ausgemustert wurden, führte dazu, dass ich mich mit Windhunden, speziell mit Greyhounds, zu beschäftigen begann. Die Hunde wurden in dem Bericht als ruhige, liebevolle Hausgenossen geschildert, die, was ihre Bewegungsbedürfnisse angehe, sich nicht so sehr von ihren weniger windigen Artgenossen unterschieden, freundlich, verträglich und gerne zu mehreren zu halten seien, gemäß dem irischen Bonmot „If you can see the floor, there’s room for one more.“ Leider stellte sich bei meinen Recherchen heraus, dass fast alle Greyhounds nicht mit Katzen zu vergesellschaften sind. Dies führte dazu, dass der spanische Vorfahr der Greyhounds, der Galgo espanol, mehr und mehr in den Fokus rückte. Die Galgos  teilen mit den Greyhounds das grausame Schicksal, einer erbarmungslosen Selektion durch den Menschen ausgeliefert zu sein.

Von den Menschen gezüchtet, um zu rennen und zu jagen, werden sie ohne jede Gnade aussortiert, wenn sie diesen Zweck nicht mehr vollständig erfüllen können. Die oft als so tierlieb bezeichneten Iren misshandeln und töten ihre Hunde genauso brutal und unnachsichtig wie die Spanier, deren gespaltenes Verhältnis zu Tieren, deren Empfinden und Bedürfnissen, weitaus bekannter ist.

Um auf das Schicksal der Galgos aufmerksam zu machen, habe ich mit dem Tool Shorthand Social einen Beitrag verfasst, den ich unter dem Titel El Dia del Galgo zum Weltgalgotag am 01.Februar veröffentlicht habe.

Die Entscheidung für einen Galgo fiel uns umso leichter, als viele Tierschutzorganisationen eine hervorragende  Öffentlichkeitsarbeit betreiben, in den sozialen Medien sehr engagiert vernetzt sind und gute, aktuelle Homepages betreiben. Dort werden die Hunde in der Vermittlung ausführlich präsentiert, ihre Geschichte unausgeschmückt erzählt und ihre Eigenschaften genau geschildert. Besonders aktiv sind hier der TSV Galgo Friends e. V. , Far From Fear , die Galgo-Hilfe , die Greyhoundhilfe oder zum Beispiel Galgos-in-Not . Alle Hunde, die über diese Tierschutzorganisationen aus Spanien nach Deutschland kommen, haben einen Katzentest durchlaufen, sind auf Mittelmeerkrankheiten getestet, gechipt, geimpft und kastriert.

So nahm ich im Frühsommer Kontakt mit Far From Fear  auf und schon kurz darauf fuhren wir in die Eifel, um uns auf einer Pflegestelle einen 5 Jahre alten Rüden namens Caramelo anzusehen. Er war im Dezember von seinem Besitzer in einem privaten Tierheim abgegeben worden, das mit FFF zusammen arbeitet, ein freundlicher, unkomplizierter Hund, der durch sein offenes Wesen sofort unser aller Herz gewann – sein Herz jedoch gehört ganz und gar unserer Tochter. Nachdem die Formalitäten geklärt waren, ein Zaun um das Grundstück gezogen und die nötigen Utensilien – Sicherheitsgeschirr, Leinen, Autoanschnallgurt, Kringel, Kissen, Futter etc. besorgt waren, holten wir an einem furchtbar heißen Sonntag im Juni Caramelo ab.

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Caramelo stammt aus der Gegend von Malaga. Er hat sein erstes Leben in Hügeln und Wäldern verbracht, er hat gejagt, das sieht man ihm an, und zwar nicht nur Hasen, sondern auch Rehe, was am Fuß der Sierra nicht ungewöhnlich ist, er liebt den Geruch von Orangen, Zitronen, Olivenöl, Knoblauch und Paprika, wenn ein Messer mit dem Wetzstahl geschärft wird, steht er sofort an der Küchentür, er kannte das Leben im Haus, kleine Kinder und Katzen und hatte durchaus eine gute Erziehung genossen.  Wie wir erfuhren, hatte er wohl auch gedeckt, er muss also ein „guter“ Galgo gewesen sein, was ihn nicht davor bewahrte, abgeschoben zu werden, ihm aber ein schlimmeres Schicksal ersparte.  Im Gegensatz zu vielen, vielen anderen Galgos war er nicht traumatisiert, eine Abneigung gegen große Männer, vor allem, wenn sie schwarze Lederjacken trugen und rauchten, war offensichtlich, aber nachzuvollziehen. Er ist ein überaus intelligenter Hund, liebebedürftig, charmant, frech wie Oskar und süß wie …Karamell. Nach einem Vierteljahr bei uns hatte sich Caramelo gut eingelebt, es fehlte ihm aber offensichtlich die Hundegesellschaft, so dass wir eine Hündin zur Gesellschaft für ihn suchten und fanden, ebenfalls über Far From Fear.

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Tatsächlich macht es keinen Unterschied, ob man einen oder zwei Galgos hat, sofern man ausreichend Sofaplätze zur Verfügung hat, es ist eher einfacher, mehrere zu halten, weil die Hunde sehr gesellig sind, adäquate Spiel- und Rennpartner brauchen und man sie beispielsweise besser einmal allein lassen kann, wenn sie zu zweit oder zu dritt sind. Auch können sich unsichere Hunde an einem gelassenen Hundefreund orientieren und von ihm lernen. Dies war bei Lady Gua Gua der Fall. Die Dame, etwa drei bis vier Jahre alt, war in der Gegend von Madrid auf dem platten Land zusammen mit einem kleinen Mischlingshund streunend aufgegriffen worden. Offenbar war sie alleine, ohne Gesellschaft gehalten worden und war auch nicht zur Jagd, sondern für Rennen trainiert worden. Unsere Gu kannte im Gegensatz zu Caramelo gar nichts, keine Bäume, keine Hügel, keine Wasserflächen, sie war im Tierheim stark abgemagert, weil sie nur sehr wählerisch und langsam frisst, ein Zeichen für Einzelhaltung, auch knabbert sie stundenlang an Knochen oder Holz herum und kann sich gut alleine beschäftigen und alleine spielen. Spaziergänge mit ihr sind manchmal ein bisschen mühsam, weite Flächen faszinieren sie, minutenlang bleibt sie stehen und starrt in die Ferne. Angst kennt Gu eigentlich nicht, leider hat sie in ihrem ersten Leben aber auch nichts gelernt, sie brauchte sehr lange, bis sie zu uns eine Beziehung aufbaute, bis heute hat sie keinen Appell und alles Neue muss man ihr recht mühsam erklären. Doch Schritt für Schritt geht es vorwärts mit unserer Lady, Caramelo passt auf sie auf, er gleicht ihren Mangel an Temperament aus und im Gegenzug dämpft sie etwas seinen Überschwang, kurz gesagt, sie ergänzen sich bestens. Mit unseren Katzen gab und gibt es keinerlei Probleme, im Gegenteil, vor allem Gua liebt die Katertiere, gibt Laut, wenn sie herein gelassen werden wollen, kuschelt und spielt mit ihnen.

Was Caramelo und Lady Gua Gua in ihrem ersten Leben auch immer widerfahren sein mag, es liegt hinter ihnen. Das zweite Leben der beiden dreht sich um Spaziergänge, Streicheleinheiten, Spiele, Futter, Stofftiere, Quietscher, Leckerli, Sausen, Kuschelzeit mit ihren Menschen und weiche Sofas – in welcher Reihenfolge auch immer.  Wir genießen ihre Wärme, ihre Anschmiegsamkeit und unvoreingenommene Zuwendung, bewundern ihre Schönheit, Eleganz und Schnelligkeit. Das Leben ist einfach besser mit Galgos!

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Von Hundemänteln

Wer sich die Aufnahmen anschaut, die Bekennender Galgoholiker in Windhundwinter mit der Wärmebildkamera von seinen Galgos gemacht hat, wird verstehen, warum unsere beiden Schätze, Caramelo und Lady Gua Gua, bei Temperaturen von unter 10° C nur mit Pulli oder Mantel nach draußen gehen. Eine Ausnahme gibt es: bei Regen tragen die beiden auch im Sommer Regenmäntel, die ihr in meinem letzten Beitrag „Von Dichterfürsten im Regen“ sehen könnt. Wenn es nicht gar so kalt ist, tragen die beiden Fleecepullis, von denen sie beide jeweils zwei haben, einen dünneren und einen dickeren, die wie angegossen passen, um die volle Bewegungsfreiheit in jeder Lebenslage zu gewährleisten, der Herr in schickem Karo, die Dame mag Blautöne mit Punkten oder Sternchen.

Wenn es kälter wird, werden die Wintermäntel aus doppellagigem schwerem Alpenfleece angezogen. Um die langen Hälse und die empfindlichen Ohren zu schützen kommen je nach Witterung Snoods oder Mützen zum Einsatz. Caramelo ist erheblich kräftiger gebaut als das zartere Guchen, er ist längst nicht so verfroren wie sie und während Gua gerne etwas über ihren kleinen beigen Öhrchen hat, beharrt er auf absoluter „Ohrfreiheit“…

Die Pullis und Mäntel gibt es ebenso wie die bekannten breiten Windhundhalsbänder in jeder denkbaren Farbvariation und aus den verschiedensten Materialien. Damit sie gut sitzen, werden sie meist nach Maß von ebenso begeisterten wie nähfreudigen Windhundbesitzerinnen geschneidert, es gibt inzwischen in Deutschland recht viele Anbieter von „Dogwear“, die kleine – und größere – Shops im Internet betreiben und auf den einschlägigen Plattformen aktiv sind,  https://windhundmode.de/ , http://canifact.de/Startseitehttp://www.wuff-und-frett.de oder https://galgo-store.de sind einige Beispiele. Unsere Mäntel sind von canifact, die Pullis von @bellounique .

Von Hypochondern…

Gestern kam unser Caramelo humpelnd aus dem Gebüsch wieder, in dem sich  (ganz bestimmt!) ein rosa Killerkaninchen versteckt hatte. Die linke Vorderpfote tat ganz doll weh. Er schaffte es noch, mit Herrchen und der dummen Gu nach Hause zu gehen, sein Futter zu verschlingen und sich auf dem Sofa fallen zu lassen. Doch dann kam alles anders als geplant. Anstatt wie geplant von seinen Frauchen verwöhnt und getröstet zu werden, sagten die Frauchen etwas von „Tschüs, Hundis!“ und von „Fettmarkt“ und „Altstadttrödel“ und gingen mit Herrchen aus dem Haus.

Und da lag er nun, der arme Hund, schwer verletzt, ganz alleine, ungetröstet. Die dumme Gu interessierte sich nicht für seinen Schmerz, die beiden dicken Flauschdinger, die wir Menschen „Kater“ nennen, auch nicht. Eine Ewigkeit später kamen die Frauchen und Herrchen wieder. Wir sagten zwar, es seien nur 3 Stunden gewesen, aber Caramelo glaubte, es war EWIG! Als er uns begrüßen wollte, konnte er nur noch auf drei Beinen laufen. Die Frauchen und Herrchen waren dann auch ganz besorgt, befühlten die Pfote, betasteten das Fesselgelenk, schmierten Salbe drauf und sprachen von einem Besuch beim Tierarzt, wenn es nicht besser würde. Beim Spaziergang am Nachmittag konnte der arme, bedauernswerte Hund auch nur ganz langsam gehen. Sein Futter schmeckte ihm danach zwar trotzdem gut, aber das Vorderbein tat immer noch so schlimm weh, dass er sich schnell auf das Sofa zu seinem Lieblingsfrauchen kuscheln musste, um gestreichelt zu werden. Abends scheint es mit dem Laufen schon besser zu gehen, aber wir planen für den nächsten Vormittag einen Termin beim Tierarzt unseres Vertrauens für unseren Verletzten.

Nach einer ruhigen Nacht, schön eingekuschelt unter der Decke in Oberfrauchens Bett, stand der der tapfere Caramelo schwanzwedelnd an der Tür, als Herrchen mit Halsband und Geschirr klimperte. Er trabte vergnügt hinaus in den Morgen, um endgültig das Geheimnis des rosa Killerkaninchens zu lüften und die Welt mit den langen Sätzen seines Windhundgalopps zu erfreuen. Hat ihm jemals seine Vorderpfote weh getan? Caramelo kann sich nicht daran erinnern